Hildesheimer holen zweimal Gold im Bühnen-Tanz / Mit einem Trick sorgt Noah Krischke dafür, dass seine Schwester Annlis diesmal die Nervosität verliert und den Auftritt „total genießen“ kann.
Von Ulrich Hempen
„Ich konnte das total genießen, war zum ersten Mal bei so einem großen Wettbewerb auf der Bühne ganz frei im Kopf“, schwärmt Annlis Krischke. Gemeinsam mit ihrem Bruder Noah hat sie bei den Internationals im Tiroler Festspielhaus in Erl richtig abgeräumt – die Internationals sind die Europameisterschaften (EM) im Bühnen-Tanz. Wie berichtet, hatten sich die beiden wochenlang intensiv auf das Event vorbereitet.
Mit zwei Titeln und einem vierten Platz sind sie nun von der EM nach Hildesheim zurück gekehrt. „Wir freuen uns sehr, dass sich das viele Training gelohnt hat und die Leistung anerkannt wird“, sagt Judith Hölscher, Trainerin und Chefin der Hildesheimer Tanzschule Saltazio. In ihrer Schule tanzen die Krischkes.
In der Altersklasse Junioren I wurden die beiden im Duett sowohl in der Kategorie „Open“ (ein Mix verschiedenster Tanzstile) als auch im „Klassischen Ballett“ Europameister. Die 14-jährige Annlis Krischke trat zudem in der Kategorie Lyrical im Solo an: Hier wurde sie Vierte, punktgleich mit der Dritten. Qualifiziert für die EM hatten sie sich bei den German Open.
Allein das Festspielhaus im österreichischen Erl mit seiner 16 mal 12 Meter großen Bühne machte schon Eindruck auf Annlis Krischke, die vor solchen Auftritten normalerweise mit viel Anspannung und Nervosität zu kämpfen hat, zuletzt während der German Open.
„Aber ich hatte ja meinen Bruder Noah als Tanzpartner an meiner Seite, und der nahm mir diesmal die Angst – mit ein paar Tricks“, erzählt Annlis Krischke. Der drei Jahre ältere Noah redete ruhig auf seine Schwester ein. Mit einem Ritual vor den Auftritten versuchte er, Gelassenheit und Zuversicht zu vermitteln. „Wir haben uns Kopfhörer aufgesetzt und waren dann in so einer Art Blase, einem Tunnel. Dann sind wir für uns noch einmal jeden einzelnen Schritt der Choreographie durchgegangen.“ Und Noah Krischke sagte dabei immer wieder die entscheidenden Formeln auf: „Wir können das, wir haben das alles 1000 mal getanzt – das klappt.“ Es wirkte. Annlis Krischke war frei im Kopf, die negativen Gedanken, dass etwas schief gehen könnte, verschwanden. „Wie gesagt: Ich konnte die Auftritte diesmal echt genießen“, erzählt sie.
Obwohl das Duett zunächst mit einer entscheidenden Widrigkeit zu kämpfen hatte. Die beeindruckende Bühne war nicht nur groß, sondern vor allem auch ungewohnt glatt. „In der Vorrunde hatten Annlis und Noah damit noch Probleme. Sie mussten ihre Bewegungen anpassen. Aber später lief es gut“, sagt Tanzlehrerin Judith Hölscher, die zwar nicht mit zur EM gereist war, aber mit ihren Schülern immer in Kontakt stand.
Und wie es lief. In der Kategorie „Open“ erhielten die Krischkes 107 Punkte von den Wertungsrichtern. „Wahnsinn, eine dreistellige Wertung schafft man nicht so oft“, sagt Annlis. Das bedeutete Platz eins. Maximal 120 Punkte sind möglich. Im „Ballett“ waren es 95. Damit gewannen die beiden Hildesheimer auch diese Kategorie mit Abstand.
Annlis Krischke wurde zudem noch im „Lyrical Solo“ Vierte. Punktgleich mit der Dritten (jeweils 97). Warum sie trotz des Gleichstandes das Podest verpasste, hat mit den Regularien zu tun. Die beste und die schlechteste Wertung der Richter werden nämlich zunächst aus dem Ergebnis genommen. Da Annlis Krischke aber mit einer anderen Starterin gleichauf lag, wurde diese vorher gestrichene Benotungen wieder herangezogen – und damit hatte die Hildesheimerin einen einzigen Punkt weniger als ihre Kontrahentin auf dem Konto. So kam es zum vierten Rang.
Es gab noch eine weitere Auszeichnung für die Geschwister. Sie gewannen den Sonderpreis für die beste Choreographie beim „Duo Open“. Ausschlaggebend hierfür sind die Komposition, Kreativität, Musikalität, der Gesamteindruck, die Performance sowie die Umsetzung einer Darbietung.
Die Eltern von Annlis und Noah Krischke hatten die beiden ins österreichische Erl begleitet. Zwischendurch waren auch noch drei ihrer fünf Geschwister vor Ort, um anzufeuern und zu unterstützen. Richtig feiern konnten sie den Erfolg aber nicht. Der Wettkampf dauerte vier Tage. „Wir waren total müde und hatten ja noch eine ziemlich lange Heimreise vor uns“, so Annlis Krischke.
Wieder in Hildesheim angekommen, geht es für sie ohne Pause gleich weiter mit dem Training. Bereits am Montag waren sie wieder in der Tanzschule Saltazio. „Denn die nächsten Events warten schon“, so Tanzlehrerin Judith Hölscher.
Text und Fotos: Archiv der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, 31.05.2022