Neue Power für die eigene Stimme

Die gebürtige Hildesheimerin und Sprecherzieherin Anne Kühl gibt Tipps zum Selbstcoaching

Von Ralf Neite

Sie hat im Schulchor des Andreanum gesungen und in der Michaeliskantorei, bei Kalleratschmatsch Theater gespielt. „Daher kommt wahrscheinlich auch meine Prägung für die Stimme“, sagt Anne Kühl. Die war so groß, dass sie einen Beruf daraus gemacht hat. Ihre Erfahrungen als Radiosprecherin, Sprecherzieherin, Coach und Stimmtrainerin fasst sie jetzt in einem Buch zusammen: „Deine Stimme, deine Power – klar sprechen und Gehör finden“.

Es ist ein Buch zum Selbstcoaching, praktische Übungen inklusive – für alle Menschen, die im Alltag oder im Beruf ihre Stimme bewusster und wirkungsvoller einsetzen möchten. Ernährung, Atemtechnik, Aussprache, Klang, Tempo und viele andere Faktoren spielen eine Rolle. „Die kann man alle bearbeiten. Das ist meistens viel einfacher, als man denkt“, sagt Anne Kühl.

Als Schülerin hatte sie einen ungewöhnlichen Berufswunsch: Sie wollte Synchronsprecherin werden. Allerdings fand sie niemanden, der ihr sagen konnte, wie das ging. Also ging sie stattdessen zum Radio, da wird bekanntlich auch viel gesprochen. Anne Kühl wurde Rundfunkjournalistin und arbeitete nach der Ausbildung zwei Jahre lange als Nachrichtensprecherin beim Südfunk.

Aber das war noch nicht das Richtige, und so hing sie den Radio-Job an den Nagel, wechselte an die Uni Stuttgart und ließ sich zur Diplom-Sprecherzieherin ausbilden. Von dort ging es weiter nach Hamburg, wo die 42-Jährige seither lebt und Menschen in Einzelcoachings und Seminaren einen besseren Umgang mit der Stimme beibringt. Mehr als 6000 Menschen habe sie in den zurückliegenden 15 Jahren unterstützt.

Was sie so daran fasziniert: „Das Gestalten über die Stimme hat mir immer Freude gemacht“, erzählt sie. Schon früh habe sie ihren beiden Schwestern Kinderbücher vorgelesen. „Sprechen ist so ähnlich wie Singen, das ist etwas unglaublich Kreatives.“

An der Hildesheimer Musikschule hat sie damals auch Geigenstunden bekommen und im Orchester des Andreanum mitgespielt. „Aber ich habe festgestellt, dass die Stimme mein erstes Instrument ist.“ Ganz viel über Stimmbildung habe sie in der Kantorei St. Michael erlernt – die von ihrem Vater Gunnar Kühl geleitet wurde: „Die Techniken, die wir beim Einsingen verwendet haben, benutze ich immer noch.“

Die Motivation, ein Buch zu schreiben, erklärt sie kurz und knapp: „Das wollte raus.“ Es habe sich so viel angesammelt in ihrem Kopf, dass sie es aufschreiben musste. „Ich bin nach La Gomera geflogen und habe es in zehn Tagen runtergeschrieben. Es war einfach reif.“ Jetzt sei sie frei für Neues.

Vielleicht doch als Synchronsprecherin arbeiten? „Dazu hätte ich eine schauspielerische Ausbildung gebraucht“, weiß Anne Kühl inzwischen. Immerhin hat sie jahrelang Stimmbildung für angehende Schauspielerinnen und Schauspieler unterrichtet.

Text und Foto: Archiv Hildesheimer Allgemeine Zeitung [HAZ ], 24.08.2020