Otto Snell wurde am 8. März 1859 als Nachkömmling einer Akademikerfamilie in Hildesheim geboren. Er wurde Psychiater und Klinikdirektor, genau wie sein Vater Ludwig Snell (1817–1892) und sein jüngerer Bruder Richard (1867–1934). Otto wuchs in Hildesheim direkt neben der Heil- und Pflegeanstalt des Vaters auf. Dies hatte einen enormen Einfluss auf ihn und später auch seine Kinder, weil er so immer in engem Kontakt mit den Patienten stand und Werte wie Respekt und Gleichberechtigung lernte.

Snell war schon mit sieben Jahren Schüler des Gymnasium Andreanum und bestand 1879 nach dreizehn Schuljahren das Abitur. Er studierte in Jena, Berlin, Göttingen und Tübingen und war im Laufe dieser Zeit bei zwei Studentenverbindungen, welche ihm durch den Zusammenhalt und andere gemeinschaftliche Werte sehr halfen. Direkt nach seinem Studium wurde er Leiter der Pflegeanstalt in Lüneburg. Durch seinen Vater hatte er schon einen sehr guten Ruf, allgemein galt er aber auch als sehr modern und kompetent. Er schuf neue Therapiemöglichkeiten in Form von Arbeitstherapien, wie z.B. das Einbeziehen der Patienten in die Landwirtschaft. Dadurch wurde er zugleich auch zu einem guten Geschäftsmann. Die Stadt Lüneburg verlieh ihm 1918 den Ehrentitel „geheimer Sanitätsrat“.

Sein Sohn Bruno Snell (1896–1986) war erfolgreicher Philologe und entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Über seine Tochter Gertrud Snell ist bekannt, dass sie lange Zeit wie ihr Vater in Lüneburg lebte und enge Beziehungen zu den Patienten aufbaute, sie war allgemein beliebt und froher Natur.

Neben seiner Tätigkeit als Anstaltsleiter gab Otto Snell Bücher heraus. In seiner Publikation über Hexenprozesse der vergangenen Jahrhunderte stellte am Anfang die Vermutung auf, dass „Hexen“ geisteskrank waren, was er jedoch am Ende widerlegte. Der Hauptaspekt seiner Schrift ist, dass die Kirche einen enormen Einfluss auf die Menschen hatte und diese damals durch Fehlinterpretationen den nur teilweise geisteskranken Menschen Unrecht taten. Abschließend bewertete Snell die Hexenverfolgung als stark moralisch verwerflich und hoffte, dass so etwas in der Geschichte der Menschen nie wieder passiert.

In seinem Buch „Die Behandlung der Geisteskranken zu Hildesheim im 14. und 15. Jahrhundert“ stellte er heraus, dass mit psychisch gestörten Menschen oft wie mit Tieren umgegangen wurde. Er stellte sehr schlechte Verhältnisse in der Behandlung und offensichtliche Ratlosigkeit vieler Verantwortlicher fest.

Otto Snell war sehr ehrgeizig, Therapiemöglichkeiten zu verbessern und die Patienten besser zu verstehen beziehungsweise behandeln zu können. Er blieb bis 1924 Leiter der Pflegeanstalt in Lüneburg. Er starb am 7. Juli 1939 in Göttingen.

Jonas Baumgärtel, Q1 (2021/2022)