Am 24. Mai diskutierten hochrangige Vertreterinnen/Vertreter der niedersächsischen Denkmalpflege und Architektur gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern über die Zukunft des Schulgebäudes als Denkmal der Nachkriegsmoderne, der eingebettet in das Hildesheimer Weltkulturerbe-Ensemble ist. Mit dabei waren die Präsidentin des Niedersächsischen Denkmalamtes Frau Dr. Krafczyk (NLD), Frau Dr. Gäfgen-Track (Schuldezernentin der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers) und Frau Prof. Dr. Franz (HAWK Hildesheim). Eine begleitende Ausstellung im Andachtsraum der Schule verdeutlichte Beispiele gelungener denkmalspflegerischerer Sanierungen in Niedersachsen.

Die Podiumsdiskussion ist ab sofort als Podcast unter Denkmal Debatten Folge 10 (Link) zu hören.

Der Moderator der Veranstaltung und stellvertretende Chefredakteur der Deutschen Bau Zeitschrift DBZ, Benedikt Kraft, hat zu der Veranstaltung de nachfolgenden Artikel verfasst, den wir mit freundlicher Genehmigung der DBZ nachfolgend veröffentlichen: 

 

Denkmal Debatten in Niedersachsen

Vielleicht brauchen wir ein anderes Wort!

Die Präsidentin des Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, Dr.-Ing. Christina Krafczyk, hadert auch einmal mit dem Begriff "Denkmal"

 

Mit der Überzeugung, dass ein großes Potenzial für Klimaschutz in der ganzheitlichen Betrachtung des Gebäudebestands und damit auch der Denkmal liegt, hatte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege in Kooperation mit dem Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur (IBEA) der TU Braunschweig schon im vergangenen Jahr eine Wanderausstellung konzipiert, die unter dem Titel „Ressource Kulturerbe – Bestand und Denkmäler neu denken“ durch das Land Niedersachsen tourt und demnächst auch über die Landesgrenzen hinaus.

 Aktuell macht die Ausstellung in einem Denkmal selbst Station (noch bis zum 6. Juni). Hier, im alterwürdigen Gymnasium Andreanum in Hildesheim, stehen die Ausstellungstafeln im sogenannten Andachtsraum, der selbst wie auch zahlreiche weitere Zubauten auf dem Gelände, mit Denkmalstatus nichts zu tun hat; aber dennoch überdurchschnittliche Architektur ist.

In diesem Andachtsraum am besagtem Denkmal, einem Schulbau von Dieter Oesterlen aus den frühen 1960er-Jahren, hatten sich am 24. Mai 2023 Expert:innen der Denkmalpflege, der Schulträger (Kirche), Architekt:innen und Ingenieur:innen zu einem Workshop getroffen, der Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer Sanierung des geschützten Schulbaus diskutierten. Im Wesentlichen ging dabei um das Miteinanderreden, denn die Situation vor Ort scheint festgefahren.

 

Das liegt einerseits an den komplizierten und aus der Geschichte sich entwickelten Eigentumsverhältnissen, das resuliert aber auch aus dem Denkmalstatus der Anlage selbst wie ihrer Nähe zum UNESCO Weltkulturerbe „Dom und Michaeliskirche in Hildesheim", von denen beiden die Michaeliskirche nur einen Steinwurf weit entfernt, also direkter Nachbar ist.

Man können durchaus mit der Erfüllung bautechnischer Anforderungen wie Energieeffizienz oder Brandschutz auf kluge Weise die bestehenden substanziellen Qualitäten des Bestands größtmöglichst erhalten, so das Ergebnis des Workshops am Ende des Tages, der von dem schon erwähnten Podiumsgespräch abgeschlossen wurde. In diesem Gespräch, das Teil einer über viele Folgen angelegten Podcast-Reihe des Landesamts ist, ging es wieder einmal um die Frage, inwieweit Denkmale, als Ressource gedacht (materielle, ideele, geistige), für die Strategiebildung zum Erreichen einer CO2-reduzierten Bauwelt eine Rolle spielen. Im Gespräch wurde dann schnell deutlich, dass insbesondere die Nutzer der denkmalgeschützten Schule hier den Eindruck gewonnen haben, dass der Denkmalschutz, hier die Angestellten und Beamten der Ämter, eher verhindern als kooperativ an gemeinsamen Lösungen arbeiten. Denkmalschutz wurde von den Schüler:innen auf dem Podium aber auch den Eltern und Lehrer:innen als elitär, den realen Erfordernissen fern und eben als Verhinderer und nicht Ermöglicher angesehen. Tatsächlich wurde - durchaus provokant formuliert - vorgeschlagen, den Denkmalschutz ganz abzuschaffen.

 

 

Was eine höchst engagierte wie umtriebige Präsidentin nicht so im Raum stehen lassen wollte, allerdings nahm sie diese pauschalisierende Verurteilung ihrer und der ihrer Kolleg:innen Arbeit zum Anlass, den "Denkmal"-Begriff ansich infrage zu stellen, da er ihr selbst als oftmals negativ konnotiert erscheint. „Denkmal“schutz wird durch seine lange - und bis heute?! - Geschichte einer stur und elitär sich gebenden Unnachgiebigkeit in jeder Diskussion um Veränderung viel zu statisch und akademisch, zu wenig im Einzelfall lösungsorientiert wahrgenommen und nicht selten übervorsichtig gehandhabt: Wer möchte schon etwas riskieren, wer etwas falsch machen?

 

Dass dieses Anklammern an Vorschriften (und Traditionen) längst nicht mehr alle Behörden lenkt, geht in der öffentlichen Wahrnehmung schnell unter, Denkmalschutz gilt als im wörtlichen Sinne konservativ. Und natürlich muss sich der Denkmalschutz spätestens dann genauer erklären, wenn das zu Schützende nur ein halbes Jahrhundert alt ist und zudem eine Schule, die doch nur einfach zu funktionieren hat (wie das Gymnasium Andreanum von Oesterlen). Also weg mit dem "Denkmal", hin zum "Kulturerbe", so Christina Krafczyk. Damit lasse sich besser arbeiten, seien die Fronten nicht gleich dicht, die Klischees noch ohne haltbaren Grund.

 

Dass, zum Schluss, die Schäden (undichte Fenster, Flachdächer, Zugluft in der Cafeteria) größtenteils in den jüngeren Anbauten zu finden sind, das kam sehr spät auf den Tisch. Dass Kirche und Stadt die nötigen Sanierungsschritte möglichst bald angehen wollen und werden, das sicherte Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track vor laufendem Mikro allen im Andachtsraum Versammelten zu. Ein Datum aber wollte sie nicht nennen.