Der Name Palandt ist für deutsche Juristen und Juristinnen fest mit einem der wichtigsten rechtswissenschaftlichen Standardwerke verbunden, dem Kurzkommentar ,,Palandt‘‘ zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Benannt war dieses bis Oktober 2021 nach dem Juristen und ehemaligen Andreaner Otto Palandt.

Palandt wurde am 1. Mai 1877 in Stade geboren. Er wuchs in Hildesheim auf und besuchte bis zu seiner Reifeprüfung 1896 das Gymnasium Andreanum.

Nach seiner Schulzeit studierte er in München, Leipzig und Göttingen Jura. Bereits während seiner Zeit als Rechtsreferendar fiel Palandt wegen Indiskretion sowie seiner gesellschaftlich randständigen Meinungen negativ auf. Seine juristische Ausbildung schloss er 1904 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab. Palandt war danach zunächst als Landrichter in Posen und später als Oberlandesgerichtsrat in Kassel tätig. Schon in den Anfangszeiten seiner Karriere war Palandt mehrfach für die Ausbildung junger Juristen verantwortlich.

Nachdem in Palandts Karriere Stillstand eingetreten war, ergab sich für ihn mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 die Chance auf einen Karrieresprung. Zum 1. Juni 1933 wurde Palandt Vizepräsident des Preußischen Landesjustizprüfungsamtes und – nach dem Übergang der Rechtspflege auf das Reich im selben Jahr – Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes. Dieser Posten war zuvor aufgrund verschiedener „Säuberungsaktionen“ der Nationalsozialisten in Verwaltungseinrichtungen vakant geworden. Palandts Tätigkeit als Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes umfasste die Oberaufsicht über die Ausbildung und Prüfung aller Juristen im gesamten Reich. Palandts Aufgabe hierbei war es, die juristische Ausbildung mit der nationalsozialistischen Ideologie in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck wurden unter Palandts Leitung unter anderem die Inhalte der Staatsprüfungen vermehrt auf die Vermittlung der Ideologie ausgerichtet. Aus heutiger Sicht muss festgehalten werden, dass Palandt maßgeblich an der Gleichschaltung des juristischen Ausbildungssystems mit den ideologischen Vorstellungen der Nationalsozialisten beteiligt war. Palandt legte die Grundlage für ein Ausbildungssystem, das vermutlich lange überdauert hätte, wenn die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland nicht schon kurz nach Palandts Zeit vorbei gewesen wäre.

Unter jungen Juristen und Juristinnen ist, wie bereits anfangs erwähnt, der Name Palandt vor allen Dingen mit dem Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit gleichem Namen verbunden. In diesem Zusammenhang wird Palandt oft als Verfasser dieses Kommentars genannt. Bei genauerer Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Kommentars wird allerdings schnell deutlich, wie wenig Palandt tatsächlich zu dem Werk beigetragen hat. Der Kommentar war ursprünglich Teil des Verlags des Juden Otto Liebmann und war von zwei jüdischen Juristinnen geschrieben worden. Nachdem die Nationalsozialisten die jüdische Bevölkerung zunehmend verfolgten, sah Liebmann sich zum Verkauf seines Verlags an den Münchener Beck-Verlag gewzungen. In diesem wurde der Kurzkommentar zum BGB in mehrjähriger Arbeit überarbeitet und an die nationalsozialistische Ideologie angepasst. Nur weil der ursprünglich als Namensgeber des Kommentars vorgesehene Gustav Wilke kurz vor dessen Veröffentlichung bei einem Autounfall starb, übernahm Palandt schließlich diese Rolle.

Palandt verbrachte seine letzten Lebensjahre in Hamburg, wo er an der Universität Rechtswissenschaften lehrte. Er starb am 3. Dezember 1951.

Der Grund dafür, dass der ,,Palandt‘‘ heute nicht mehr so heißt, ist vor allen Dingen die unermüdliche Arbeit einer Initiative Hamburger Jurastudent*innen. Obwohl es auch schon vorher Versuche gegeben hatte, den ,,Palandt‘‘ wegen der Vergangenheit seines Namensgebers umzubenennen, gelang es den Student*innen nur mit großem Engagement, den Beck-Verlag zu einer Umbenennung zu bewegen. Ab 2015 versuchte die Initiative an den Verlag heranzutreten, was zunächst erfolglos blieb. Auch als 2017 doch eine Antwort des Verlags erfolgte, war diese wenig zufriedenstellend. Es wurde argumentiert, dass der Verlag sich bereits kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetze, Palandt als Person entnazifiziert worden sei und „Palandt“ inzwischen als nicht mehr wegdenkbarer Markenname gelten müsse. Die Initiative intensivierte daraufhin ihre Bemühungen und erreichte Ende 2017 durch mehrere Berichte über sie in großen deutschen Zeitungen eine öffentliche Diskussion zum Thema. In den Folgejahren konnten außerdem mehrere prominente Unterstützer aus der Politik gewonnen werden. Als der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung sich einschaltete und der bayrische Justizminister eine Untersuchung zu nach NS-Funktionären benannten Werken des Beck-Verlags anordnete, sah sich der Verlag 2021 zum Handeln gezwungen. Der „Palandt“ wurde umbenannt und heißt seit Oktober 2021 ,,Grüneberg‘‘ (nach einem Richter am Bundesverfassungsgericht). Der Name Palandt verschwand also nach 82 Jahren endgültig vom Titel des Kurzkommentars. Eine Benennung und Würdigung nach dem ursprünglichen Herausgeber des Kommentars Otto Liebmann, wie sie von der Initiative gefordert worden war, blieb allerdings aus.

David Rudzka, Q1(2021/2022)

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